Donnerstag, 29. Mai 2014

Was Mann unbedingt können muss (2): So macht man beim Anlegen des Vaporetto in Venedig den richtigen Knoten.


Es gibt Hunderte davon in Venedig, und es ist immer noch das Fortbewegungsmittel in Venedig, der Stadt ohne Auto und Fahrrad: der Vaporetto. Oder wie ihn die Venezianer liebevoll nennen: "il battello", wie fast immer im Italienischen mit Akzent auf der vorletzten Silbe.
Jedes Batello besteht aus zwei Mann Besatzung: dem Pilota ("Steuermann"), der im Häuschen sitzt und den Vaporetto steuert. Und dem Marinaio ("Seemann"), der den Festmacher ausbringt und den Anlegerknoten macht, in den jeder Vaporetto einbremst und dann langsam eindampft.

Der Knoten sieht so aus. Und es ist keiner, den man in der deutschen Segelausbildung lernt.

Verstanden? Kapiert? Gleich mal am Couchtisch nachmachen!

Nein?

Dann nochmal. Diesmal von einem weiblichen Marinaio.

Der Knoten heißt "Dopino", mancher Marinaio nennt ihn auch "nodo di otto" oder "nodo marinaisco". Meiner Meinung nach ist es ein angefangener Belegknoten mit einem halben Schlag am Ende, nur andersherum wie beim normalen Kopfschlag. Jeder Marinaio benutzt den Dopino. Ich habe nur einen Marinaio gesehen, der das gemacht hat, was ich eigentlich machen würde: einen Webeleinstek. Das war Vorgestern. Ich habe noch nie einen Marinaio so fluchen hören beim Ablegen, weil sich der Webeleinstek so zugezogen hat, dass ihn der Marinaio nur unter äußerster Kraftanstrengung, nach minutenlangem Ziehen und Zerren und Fluchen und Drehen aufbekommen hat.
Ich werde mich nie wieder fragen, warum ein Marinaio keinen Webeleinstek benutzt.

Übrigens ist die Arbeit eines Marinaio ziemlich hart. Gestern habe ich einen weiblichen Marinaio, nennen wir sie Annalisa, gefragt, wie oft sie einen Dopino am Tag machen würde. "Una Centinaia", war ihre Antwort nach kurzem Überlegen, mehr als Hundertmal. Annalisa, die mir ihren richtigen Namen nicht sagen und auch nicht wollte, dass ich sie fotografiere, ist etwa Mitte 20 und arbeitet bereits seit sieben Jahren als Marinaio. Und träumt, wie so viele Marinaio, davon, Pilota zu werden, in der Kabine zu sitzen und einen Vaporetto zu steuern. Aber es ist Krise, sagt sie, es sei schwer, zur Zeit zum Pilota aufzusteigen. Aber alles dies, die Schwere ihre Arbeit, ihre Sorgen, merkt man den Marinaio nicht an. Ich bin oft überrascht, wie freundlich sie sind, wie schnell sie einem älteren Menschen beim Aussteigen helfen, wie achtsam sie jeden Reisenden auf die schwankende Stufe zwischen Pier und Boot aufmerksam machen. Auf derartige Freundlichkeit in einem so stressigen Beruf  traf ich in Deutschland nur selten.

Und was mich dann nicht überrascht, ist: dass die Vaporetto-Besatzungen am morgigen 30. Mai 24 Stunden streiken werden. Die Eisenbahner und Busfahrer wohl auch. Die offizielle Actv-Seite, die ich wegen der Fahrpläne anhänge, informiert darüber. Das gibt ein Chaos.



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